Die gut 100 Besucher, die sich am vergangenen Samstag zur Gesprächsrunde mit Prof. Dr.-Ing Johann-Dietrich Wörner zahlreich eingefunden hatten, staunten zunächst über das Outfit, das der Gast trug. Sollte der Generaldirektor der Europäischen Raumfahrtbehörde tatsächlich einen Astronautenanzug für den Abend ausgewählt haben?
Dass dem nicht so war, wurde allerdings nach der Begrüßung der Anwesenden durch Christel Frank schnell deutlich: es handelte sich vielmehr um eine Anspielung auf das Hobby des Professors, der schon immer sehr gerne in seiner Freizeit an Autos gebastelt und herumgeschraubt hat, weil es ihm beim Abschalten hilft.
Stufe 1: Schulzeit
So habe er einen solchen Anzug auch damals bei der Verkündung der mündlichen Prüfungsergebnisse getragen, die seine Arbeit an einem Auto unterbrochen habe. Angesichts einer solchen Schwerpunktsetzung sei ihm das Vorhaben, ein guter Schüler zu sein, folgerichtig nicht ganz geglückt und er habe daher seinen Abiturschnitt von 3,2 hingenommen, wie er sagte.
Dieses freimütige Bekenntnis wurde von den anwesenden Schülerinnen und Schülern sicher aufmerksam registriert, für die Prof. Dr.-Ing. Wörner auch noch lobende Worte fand. Auch heute noch sei die Jugend lernwillig und wisse in vielen Dingen besser Bescheid als Erwachsene, so seine Erfahrungen aus der Uni und dem Umgang mit den Studenten. Daher plädierte er auch dafür, den jungen Leuten herausfordernde Aufgaben zu geben, an denen sie wachsen können. Er habe diese Gelegenheit bekommen und zudem nach dem Tod der Eltern gar nicht anders gekonnt als eigenständig und gradlinig Verantwortung zu übernehmen.
Stufe 2: Ausbildung und Beruf
Dass ihm solche offenen Worte über die Lippen kamen, lag sicher auch an der vertrauten Atmosphäre zwischen Gast und Moderator, die sich seit gemeinsamen Kindheitstagen kennen und sich gekonnt die Bälle zuspielten.
So erfuhren die Gäste auch den weiteren Bildungsweg nach dem Abitur, den Johann-Dietrich Wörner zunächst in Anknüpfung an die familiäre Tradition mit dem Studium des Bauingenieurwesens fortgesetzt hat. An die Promotion und die Professur an der TH Darmstadt schloss sich dann die Präsidentschaft an dieser Hochschule an, während derer er sich bei der Landesregierung erfolgreich für die Umwandlung in eine autonome Universität einsetzte. Dieses Ziel der erweiterten Selbstständigkeit prägte auch seine darauf folgende Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) von 2007 bis 2015.
Stufe 3: Sternzeit
Seit Juli 2015 schließlich ist Prof. Dr.-Ing. Wörner Generaldirektor der ESA (European Space Agency) mit Amtssitz in Paris und nimmt diese Aufgabe mit großer Begeisterung wahr. Das wurde unter anderem deutlich, als er mit Hilfe eines Weinglases die äquatoriale Laufbahn eines Satelliten veranschaulichte, aber auch bei der Schilderung der Aufgaben, die diese Agentur wahrnimmt.
Die ESA widmet sich laut ihrer Konvention ausschließlich friedlichen Zwecken, ermöglicht Innovationen und begreift sich als europäisches Projekt, das auf der Kooperation der Mitgliedsstaaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums basiert. Dazu gehören auch Wetterbeobachtungen, die genauere Rückschlüsse auf den Klimawandel zulassen, der viel zu schnell ablaufe und mit Sicherheit menschlichem Einfluss unterliege. Zu diesem Stichwort abschließend befragt, räumte Professor Wörner ein, dass er zwar gerne schnell fahre; aber jeder einzelne sei gefordert, wenn es um den Erhalt der Erde gehe. Die Raumfahrt zeige Möglichkeiten auf, indem sie z.B. Solarpanele für den Antrieb der Satelliten als umweltfreundliche Option nutze; eine Umsiedlung auf den Mars sei Utopie und in keinem Falle eine Lösung für die Klimaproblematik.
Mit diesem Schlusswort und dem anschließenden Applaus endete ein spannender Abend, an dem für die Zuhörer das vielschichtige Bild eines bewegten Lebens nach der Schule greifbar wurde. Die ASS bedankt sich daher ganz herzlich bei Herrn Prof. Dr.-Ing. Wörner für die Einblicke in seine Vita und bei Burkhard Rabe von Pappenheim für die sehr gelungene Moderation.
Unser Dank gilt aber selbstverständlich ebenso dem Kulturforum Hofgeismar sowie natürlich den Besuchern – wir freuen uns schon auf den nächsten Talk in der ASS und hoffen, dass wir dann wieder so viele Gäste begrüßen können.