Lebenswege sind nicht immer gerade – das war eine ganz zentrale Botschaft des autobiographischen Vortrags, den Prof. Dr. Karl Heinz Götze am 20.9.2019 vor Schülerinnen und Schülern der Q1 in der Schulbibliothek hielt.
Der Literaturwissenschaftler, selbst ein ehemaliger Abiturient der ASS hatte sich zusätzlich zum am gleichen Abend stattfindenden ASS-Talk bereit erklärt, auch den Schülerinnen und Schülern aus seinem Leben nach dem Abitur zu erzählen. Auch stellte er sich im zweiten Teil den Fragen aus den Reihen der Zuhörer, die sich sehr interessiert an den Erzählungen aus der Schul- und Studienzeit des Professors zeigten.
So erfuhren die Schülerinnen und Schüler unter anderem, dass seine deutsche Professur in Frankreich nicht anerkannt wurde und er sich daher im Nachbarland erneut habilitieren musste. Daher wolle er mit seiner Vita Mut machen, den eigenen Weg zu gehen und dabei auch Umwege in Kauf zu nehmen. Dies gelte umso mehr, als nach den damaligen Vorstellungen für ihn selber als Kind eines Schlossers eigentlich gar nicht das Gymnasium und die Oberstufe vorgesehen gewesen seien.
Entsprechend vorsichtig habe er auch agiert, um seinen Abschluss nicht zu gefährden, wobei Mathematik wohl die größte Schwierigkeit auf dem Weg zum Abitur dargestellt hat – diese Empfindung können auch heutige Schülerinnen und Schüler durchaus noch nachvollziehen. Schließlich sei mit diesem Bildungsabschluss damals bereits ein höherer Status erreicht gewesen, denn das Studium sei noch etwas Besonderes, die Massenuniversitäten von heute noch nicht denkbar gewesen. Eine fundamentale Opposition sei für ihn daher auch gar nicht in Frage gekommen, zumal er seinen Worten nach auch Unterstützung durch liberale Lehrer erhielt, die ihm den Weg zum Abitur ermöglicht hätten.
Vor dem Hintergrund dieser Selbsteinschätzung hofften die Schülerinnen und Schüler auch vergeblich auf Inspiration, als sie ihn nach Streichen während seiner Schulzeit fragten. Ernster wurde es allerdings, als ein Schüler sich erkundigte, wie denn der Umgang mit dem Nationalsozialismus zu seiner Zeit gewesen sei. Hier erklärte Prof. Dr. Götze, dass Frankreich ihm damals als politisches Ideal erschienen sei, nicht zuletzt, weil in Deutschland die Zeit des Nationalsozialismus bis weit in die siebziger Jahre hinein ein gesellschaftliches Tabuthema war. Dieser Widerspruch zur eigenen, eher als links empfundenen politischen Orientierung sei auch einer der Gründe gewesen, warum er sich für den nicht ganz einfachen Weg an die französische Universität entschieden habe.
Diese Offenheit für Umwege und die Beharrlichkeit, die aus seinen Worten sprachen, sind vielleicht auch für manchen der Anwesenden eine Motivation, eine neue Perspektive auf die eigenen Ziele zu bekommen – denn das Leben beginnt eigentlich erst so richtig nach dem Abitur.