In der bundesweiten Aktionswoche „Zu gut für die Tonne“ haben wir uns als der Wahlpflichtkurs „Europaschule- und UNESCO-Schule leben und gestalten“ der E-Phase mit Zahlen zur Lebensmittelverschwendung in Deutschland und Fragen der Haltbarkeit von Lebensmitteln beschäftigt. So kamen wir auf die Idee, eine vorweihnachtliche Spendenaktion in der Schule für die Tafel Hofgeismar zur organisieren und die Tafel Hofgeismar zu besuchen.
Unser Besuch am 29.11.2024 hinterließ bleibende Eindrücke, sodass wir uns in der folgenden Zeit noch eingehender mit der Thematik beschäftigten und Verbindungen zu den 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) der Vereinten Nationen prüften, die uns in unserer UNESCO-Projektschule jeden Morgen bereits in der Eingangshalle begrüßen.
„Die Tafel“ in Deutschland
Die Tafel ist eine soziale Organisation, die Lebensmittel sammelt und an bedürftige Menschen verteilt. Ihr Ziel ist es, überschüssige, aber noch genießbare Lebensmittel vor der Vernichtung zu bewahren und sie an Menschen weiterzugeben, die sich in einer finanziellen Notlage befinden. Die Tafel trägt somit nicht nur zur Unterstützung bedürftiger Menschen bei, sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung.
In Deutschland gibt es etwa 960 Tafeln mit insgesamt rund 2.000 Ausgabestellen (Stand 2023). Jede Tafel ist in der Regel eigenständig organisiert und arbeitet lokal. Sie wird von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern unterstützt, die für die Sammlung, Sortierung und Verteilung der Lebensmittel verantwortlich sind.
Bereitstellung der Lebensmittel für die Lebensmittelausgabe
Bevor Lebensmittel bei der Tafel ausgegeben werden können, sind mehrere Schritte notwendig, um einen reibungslosen und hygienischen Ablauf zu gewährleisten:
Zunächst holen ehrenamtlich Helfende überschüssige Lebensmittel von Supermärkten, Bäckereien oder Restaurants ab. Diese werden vor Ort geprüft und anschließend in den Räumlichkeiten der Tafel sortiert. Dabei achten die Ehrenamtlichen darauf, dass die Lebensmittel genießbar und hygienisch einwandfrei sind. Verdorbene Waren werden entsorgt.
Die sortierten Lebensmittel werden je nach Bedarf gekühlt oder trocken gelagert, um ein Verderben zu vermeiden. Für die Ausgabe werden Lebensmittelpakete zusammengestellt, die eine faire Verteilung ermöglichen.
Bedürftige, die sich vorher registriert haben, können die Lebensmittel zu festgelegten Zeiten gegen ein geringes Entgelt abholen. Neben der Versorgung bietet die Tafel oft auch Beratung und Unterstützung an. Dank dieses Ablaufs rettet die Tafel Lebensmittel und hilft gleichzeitig Menschen in Not.
Die Tafel Hofgeismar/Bad Karlshafen – ohne ehrenamtlich Engagierte nicht möglich
Frau Wiegand, die hauptamtlich beim Diakonischen Werk Region Kassel angestellt ist und mit einer weiteren Hauptamtlichen die Tafel Hofgeismar mit Ausgabestelle Bad Karlshafen koordiniert, informierte uns eine Stunde lang über die Arbeit der Tafel und über ihre persönlichen Aufgaben. Sie ist Ansprechpartnerin für alle, die sich für das Ehrenamt interessieren oder besondere Aktionen anbieten möchten. Alle Ehrenamtlichen bekommen Schulungen in den Bereichen Erste Hilfe, Hygiene und Konfliktmanagement. Ein Mal pro Monat gibt es Teamsitzungen, bei denen sich die Ehrenamtlichen mit der hauptamtlichen Mitarbeiterin zum Austausch treffen. Der Altersdurchschnitt der Ehrenamtlichen ist nach Aussage Frau Wiegands sehr hoch. Es werden dringend junge Menschen gesucht, die sich engagieren wollen. Dies geht bereits mit zwei Einsätzen pro Monat. Das Engagement kann man als Freiwilliges Soziales Schuljahr anerkennen lassen. Auch ein Praktikum ist auf Anfrage möglich.
Wichtige Unterstützung für 1000 Bedarfsgemeinschaften in Hofgeismar/Bad Karlshafen
Die Tafel Hofgeismar mit Ausgabestelle Bad Karlshafen versorgt insgesamt 1000 Bedarfsgemeinschaften, 600 davon in Hofgeismar. Auf der Warteliste werden weitere 50 Anfragen geführt. 150 Ehrenamtler/-innen unterstützen die zwei für die Tafel zuständigen Hauptamtlichen des Diakonischen Werkes Region Kassel, um die vielfältigen Tätigkeiten vom Abholen gespendeter Lebensmittel, der Sortierung und Säuberung, der Lagerung und Ausgabe zu gewährleisten. In Hofgeismar erfolgt die Essensausgabe drei Mal die Woche (montags, mittwochs, freitags). Nach Aussage von Frau Wiegand sind die Regale montags häufig kaum bestückt, sodass die Tafelkunden, von denen ein Drittel Kinder und Jugendliche sind, weniger Lebensmittel gegen ein geringes Entgelt mitnehmen können.
Jede Bedarfsgemeinschaft darf alle 14 Tage die Tafel nutzen. Die Mitarbeitenden stellen eine wachsende Anzahl bedürftiger Menschen fest. Politische Krisen in Europa und die Inflation erhöhen die Anzahl der vor Ort Bedürftigen. Der Anteil der Tafelkunden mit Altersarmut steigt. Auch Menschen, die nie mit Armut gerechnet haben, sind betroffen. Die Versorgung der Bedürftigen fällt zunehmend schwer, da die Lebensmittelspenden ablaufender Lebensmittel von Supermärkten sich in starkem Rückgang befinden, was auf den zunehmenden Einsatz digitaler Kalkulierungsprogramme zurückzuführen ist.
Räumlichkeiten der Tafel in Hofgeismar
Bei der Tafel Hofgeismar dienen folgende Räume zur übersichtlichen Organisation der Abläufe:
Im Lagerraum werden haltbare, gespendete Lebensmittel aufbewahrt. Bei Bedarf kann eine Gefriertruhe in Betrieb genommen werden. Ein separater Kühlraum ermöglicht die Kühlung frischer Milchprodukte. Die Prüfung, Sortierung und ggf. Verpackung der Lebensmittel erfolgt in Sortierräumen. Der eigentliche „Einkauf“ wird von den sog. Tafelkunden mit einem von Super 2000 gespendeten Einkaufswagen getätigt. Dabei sind immer zwei Bedarfsgemeinschaften gleichzeitig mit der Auswahl beschäftigt. Zur administrativen Arbeit, Planung von Routen und Koordination der ehrenamtlichen Helfer dient ein Büroraum, den Pausenräume (Sozialräume) ergänzen. Hier können Mitarbeitende und Ehrenamtliche Pausen einlegen oder Besprechungen abhalten.
Manche Tafeln, wie auch Hofgeismar, bieten Gemeinschaftsküchen an, in denen Bedürftige oder Helfer gemeinsam kochen können.
Aktionen für noch mehr Menschlichkeit vor Ort
Jedes Jahr organisiert die Tafel eine besondere Aktion, um Kindern aus bedürftigen Familien ein wenig Weihnachtsfreude zu schenken. Die Kinder, die die Tafel besuchen, schreiben ihre Wünsche für Weihnachten auf. Ihre Wünsche sind oft bescheiden: ein Teddybär, eine Puppe oder ein Malbuch – Dinge, die für uns selbstverständlich erscheinen, aber für diese Familien oft unerschwinglich sind.
Diese Wünsche werden an einem „Wunschbaum“ in Supermärkten aufgehängt. Jeder Kunde kann stehen bleiben, einen Wunschzettel lesen, das gewünschte Geschenk kaufen und es in einen speziellen Korb legen. Zu Weihnachten werden alle Geschenke eingesammelt und an die Kinder verteilt.
Diese Aktion erinnert uns daran, wie wichtig Fürsorge und Mitgefühl sind. Selbst ein kleines Geschenk kann das Weihnachtsfest für jemanden unvergesslich machen.
Beitrag zur Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030
Hier sind die wichtigsten Ziele, die die Organisation durch ihre Arbeit unterstützt:
Keine Armut (SDG 1)
Die Tafel hilft bedürftigen Menschen, indem sie ihnen Zugang zu Lebensmitteln und anderen notwendigen Gütern bietet. Dadurch wird die finanzielle Belastung reduziert und die soziale Ungleichheit bekämpft und ein wichtiger Beitrag zur Grundbedürfnisbefriedigung geleistet.
Kein Hunger (SDG 2)
Indem sie überschüssige, aber noch genießbare Lebensmittel verteilt, trägt die Tafel aktiv dazu bei, Hunger zu bekämpfen und die Ernährungssicherheit in Deutschland zu verbessern.
Gesundheit und Wohlergehen (SDG 3)
Durch die Verteilung von frischen und gesunden Lebensmitteln fördert die Tafel die Ernährung und das allgemeine Wohlbefinden der Menschen, die sie unterstützt. Sie bietet Kochkurse an, bei denen die Zubereitung vollwertiger Gerichte im Mittelpunkt steht.
Weniger Ungleichheiten (SDG 10)
Indem die Tafel benachteiligten Gruppen hilft, trägt sie zur Verringerung von Ungleichheiten innerhalb der Gesellschaft bei. Die Organisation fördert den sozialen Zusammenhalt und die Integration von Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten.
Verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster (SDG 12)
Die Tafel rettet Lebensmittel, die sonst entsorgt würden, und setzt so auf Ressourcenschonung und die Reduktion von Lebensmittelverschwendung. Damit unterstützt sie ein nachhaltigeres Wirtschaften und einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen. Im Idealfall erfolgt eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Bedeutung von nachhaltigem Konsum. Insbesondere das Teilziel 12.3 an, „bis 2030 die weltweite Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene [zu] halbieren“ (https://www.bmz.de/resource/blob/86032/01b-sdg-12-unterziele.pdf), ein ehrgeiziges Ziel, das der Tafel Deutschland ein besonderes Anliegen ist. Hier kann die Tafel einen wichtigen Beitrag leisten.
Partnerschaften zur Erreichung der Ziele (SDG 17)
Die Tafel arbeitet mit Supermärkten, Bäckereien, Landwirtschaftsbetrieben und anderen Partnern zusammen, um überschüssige Lebensmittel zu sammeln und weiterzugeben, und wird dabei von Menschen ehrenamtlich unterstützt, denen es ein Anliegen ist, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Diese Kooperationen sind ein wichtiger Bestandteil ihrer Nachhaltigkeitsstrategie.
Fazit
Die Tafel leistet einen wichtigen Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit, Ressourcenschonung, der Verbesserung der Lebensqualität bedürftiger Menschen und der Förderung nachhaltiger Lebensweisen und setzt damit zentrale Leitgedanken der Agenda 2030, die in den sogenannten 5 P (Planet, People, Prosperity, Peace, Partnership) festgeschrieben sind, um.
Es ist nicht schwer, die Tafel zu unterstützen. So kann man bei einigen Supermärkten für wenig Geld sogenannte Tafeltüten kaufen und sogleich im Supermarkt spenden. Bei Lidl gibt es die Möglichkeit, sein Pfandgeld direkt an die Tafel zu spenden. Und vielleicht hat man Freude daran, einem Kind im Rahmen der Wunschbaumaktion zu Weihnachten einen besonderen Wunsch zu erfüllen.
Wer Interesse gewonnen hat, sich zu informieren oder engagieren, findet auf den Webseiten der Tafeln weiterführende Informationen.
Unsere Lebensmittelspenden, die wir mithilfe der Schulgemeinde gesammelt haben, übergab Frau Bruns am 12. Dezember an die Tafel, die sich mit einem Weihnachtsschreiben an die Schule bedankte.
Wir danken allen, die diese Aktion unterstützt haben!
